Causa Mietzins in Covid-19 Zeiten
Einem Lockdown folgt der nächste und auch in den Wochen zwischen diesen müssen alle mit den auferlegten Beschränkungen leben. Laufende Miete bzw. Pacht fällt trotzdem an. Der Ruf der Betroffenen nach einer Mietpreisreduktion ist klarerweise laut. Kann man eine solche einfordern?
Die Coronakrise entwickelt sich gefühlt zu einer unendlichen Geschichte. Einem Lockdown folgt der nächste und auch in den Wochen zwischen diesen müssen alle mit den auferlegten Beschränkungen leben. Besonders aussichtslos stellt sich im Moment die Lage der Kulturszene, Gastronomie und Hotellerie dar, die nun schon seit vielen Monaten – trotz aller auf dem Tisch liegenden Sicherheitskonzepte – zur Untätigkeit verdammt sind und um ihre Existenz ringen. Restaurants, Kaffeehäuser, Clubs, Bars, Kulturstätten, Konzerthäuser, Hotels etc. werden an ihrem Wirtschaften gehindert, haben deutlich weniger Einnahmen und sind auf Unterstützungsmaßnahmen angewiesen, um die Krise in irgendeiner Form zu überstehen.
Ein Punkt, der das Überleben der Genannten schwierig macht und sie wirtschaftlich hart trifft, sind die laufenden Kosten, die weiterhin beglichen werden müssen. So muss weiterhin die Miete bzw. Pacht gezahlt werden. Und das ist etwas, was viele Betreiberinnen und Betreiber von Lokalen, Veranstaltungsräumen etc. vor große Probleme stellt. Der Ruf der Betroffenen nach einer Mietpreisreduktion ist klarerweise laut. Kann man eine solche einfordern?
Nun, im Grunde genommen hat der Gesetzgeber hier vorgesorgt. Denn laut § 1104 f ABGB muss ein*e Mieter*in keinen Mietzins zahlen, wenn das Mietobjekt aufgrund „außerordentlicher Zufälle“ nicht benutzt werden kann. Neben Krieg und Feuer werden auch Seuchen als „außerordentliche Zufälle“ definiert. In einer ersten Rechtsmittelentscheidung hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (LG für ZRS Wien 39 R 27/21s) auch das Coronavirus und die daraus resultierenden Gesetze und Verordnungen zur Pandemiebekämpfung zu einem solchen „Zufall“ gezählt. Für das Gericht war entscheidend, „ob die Gebrauchsmöglichkeit objektiv – gemessen am Vertragszweck – beseitigt oder eingeschränkt ist“. Was aufgrund der Pandemie eindeutig der Fall sei.
Nun haben etliche Betreiber*innen – beginnend mit dem ersten Lockdown vor einem Jahr – Förderleistungen von der öffentlichen Hand und somit finanzielle Unterstützung erhalten. Ändert dies etwas an dem Ergebnis? Nein, sagt das LG für ZRS Wien, eingeschränkt auf den ersten Lockdown ab März 2020: „Es ist nicht Aufgabe des Mieters, durch Verzicht auf eine ihm gesetzlich zustehende Mietzinsbefreiung bzw. -minderung auf Kosten des Steuerzahlers Förderleistungen zu beantragen, um diese dem Vermieter zukommen zu lassen.“
Die Wirtschaftskammer Wien (Fachgruppen Gastronomie, Kaffeehäuser und Hotellerie) hat ein Rechtsgutachten zum Thema „Miet- und Pachtzinsentfall“ eingeholt, das auf das gleiche Ergebnis kommt. Grundsätzlich gilt, dass aufgrund der Coronakrise und der damit einhergehenden nicht vertragsgemäßen Nutzbarkeit des Mietobjekts – auch wenn Mieter*innen staatliche Unterstützungen in Anspruch genommen haben – die Preisgefahr der Vermieterin/ des Vermieters bzw. der Verpächterin/ des Verpächters trägt.
Laut dem Gutachten ergeben sich daraus folgende Punkte
- Die Mieter*innen bzw. Pächter*innen haben keine oder nur eine eingeschränkte Verpflichtung, den Bestandzins zu bezahlen. Und das gilt nicht nur für Folgen von behördlichen Maßnahmen (z. B. Betretungsverbot, eingeschränkte Öffnungszeiten etc.), sondern auch für sonstige pandemiebedingte Umsatzausfälle. Wichtig ist der Beweis, dass die Beeinträchtigung auf die Pandemie zurückzuführen ist. Maßgeblich ist der Vertrag – aber nicht nur ausdrückliche Vereinbarungen, sondern auch der gewöhnlich vorausgesetzte Verwendungszweck.
- Es besteht keine Verpflichtung, einen Liefer- oder Abholservice anzubieten, wenn dieser nicht betriebswirtschaftlich sinnvoll betrieben werden kann, ebenso wenig gibt es eine Verpflichtung, das Lokal anderweitig zu nutzen (z. B. als Lebensmittelgeschäft), um den vollen Bestandszins zahlen zu können.
- Maßgebend für den Entfall bzw. die Minderung des Bestandszinses sind der Grad und die Dauer der Unbrauchbarkeit (z. B. am Umsatzentgang zu messen). Die Mietzinsminderung umfasst den gesamten Mietzins (inkl. Betriebskosten).
Mietzinsreduktionen: Rechenbeispiele
Die folgenden Angaben und Informationen richten sich in erster Linie an Mieter*innen, die in den weiter unten genannten Zeiträumen ihren Mietzins unter Vorbehalt entrichtet haben. Aber selbst hier sind die Angaben ohne Gewähr, sondern sollen als Entscheidungshilfe dienen, ob rechtliche Schritte für euch sinnvoll sein könnten. Unter allen Umständen empfehlen wir euch auf das Dringlichste, eure*n Rechtsanwält*in zu kontaktieren und erst dann weitere Schritte in Erwägung zu ziehen!
Ab Mitte März 2020 wurde ein umfassendes bundesweites Betretungsverbot öffentlicher Orte als Antwort auf die Pandemie umgesetzt.
Einige Daten, welche für die Mietzinsminderungen relevant sind
- März 2020 - 14.05.2020: Gastronomie geschlossen
- Mai 2020 - 14.06.2020: Gastronomie offen; Sperrstunde 23:00 Uhr → Clubbetrieb unmöglich
- Juni 2020 - 02.11.2020: Gastronomie offen; Sperrstunde 01:00 Uhr
- November 2020 - 19.05.2021: Gastronomie geschlossen
Zusammenfassung
Prinzipiell gilt für die Bezieher*innen der staatlichen Hilfeleistungen, dass sie sich die Zahlen sehr genau anschauen und sich diese von einer Rechtsanwältin bzw. einem Rechtsanwalt bestätigen lassen sollen. Je nachdem welche Differenz sich zwischen den unter Vorbehalt bezahlten und den zu ermittelnden Mietzinssätzen ergibt, sollte ein Gespräch mit der Vermieterin/ dem Vermieter bzw. der Hausverwaltung gesucht werden. Sollten sich diese wenig entgegenkommend zeigen, solltet ihr rechtliche Schritte in Erwägung ziehen, damit ihr von eurem Recht Gebrauch machen könnt.