Paradies Garten Festival: Wie können Festivals nachhaltiger werden?

Das Paradies Garten Festival hat in seiner Erstauflage im Jahr 2022 mit einem transparenten und prominenten Zugang zum Thema ökologische Nachhaltigkeit auf Musikfestivals aufhorchen lassen. Darum treffen wir uns mit Elise Accarain, Co-Gründerin und Nachhaltigkeitsmanagerin des Paradies Garten Festivals und sprechen mit ihr über Chancen & Herausforderungen hin zu einem nachhaltigen Festivalbetrieb.  

VCC: Das Paradies Garten Festival möchte „das erste CO2-neutrale elektronische Musikfestival in Österreich“ werden und ökologische Nachhaltigkeit stellt einen sehr präsenten Part eures öffentlichen Auftritts dar. War das für euch eine ganz klare strategische Planung von Beginn an oder ist das spontan passiert? Wie seid ihr dazu gekommen? 

PG: Ich arbeite seit vielen Jahren für das Paradise City Festival in der Nähe von Brüssel, wo die Kombination von einem elektronischen Musikfestival und ein Fokus auf Nachhaltigkeit schon länger etabliert ist. Vor ein paar Jahren bin ich dann nach Wien gezogen und habe hier aber nichts Vergleichbares gefunden. Ich habe Felix kennengelernt, der bei ID&T (Mysterland) in Amsterdam gearbeitet hat und denselben Gedanken hatte wie ich. Wir wollten gemeinsam ein Festival in Österreich umsetzen und wussten beide sofort, dass Nachhaltigkeit im Kern der Identität und DNA unseres Projekts liegen muss. Es gab nie den Wunsch von uns einfach ein weiteres Festival ohne Nachhaltigkeitsaspekte zu realisieren. Die Organisation von Großveranstaltungen ist zwangsläufig mit dem Verbrauch von Ressourcen und einem hohen CO2 Ausstoß verbunden. Also haben wir uns gedacht, wir müssen dieses Problem offen und direkt ansprechen und angehen – auch um Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine nachhaltige Veranstaltungsorganisation möglich ist.

VCC: Und welche konkreten Maßnahmen ergreift ihr um das Festival nachhaltiger zu gestalten?

PG: Ok, das wird jetzt etwas länger. Wir haben unseren 10-Schritte-Prozess hin zur Reduktion unseres CO2-Fußabdrucks. Der Prozess umfasst verschiedene Themenblöcke, bspw. zur Verwendung von Ökostrom, Transport, Verpflegung, Sanitäranlagen mit Spülstopp oder Abfallmanagement. Natürlich versuchen wir so viel wie möglich erneuerbare Energien zu nutzen und dokumentieren unseren gesamten Strom- und Wasserverbrauch. Beim Transport haben wir eine Kooperation mit den ÖBB, welche Sondernachtzüge von Bruck an der Leitha nach Wien kostenlos bereitstellen. Den Besucher*innen- und Personaltransport hauptsächlich über Züge abzuwickeln ist für uns bereits ein großer Erfolg, denn das ist ein sehr relevanter Aspekt bei der CO2 Reduktion von Festivals – ungefähr 70% des Publikums kommt bereits mit dem Zug. Bei unserem Line Up haben wir eine 50:50 Policy mit lokalen und internationalen Acts, was natürlich beim Transport ebenfalls ein großer Vorteil ist.

Unsere Foodtrucks am Festivalgelände bieten zu 100% vegetarische und vegane Speisen an. Das ist eigentlich relativ einfach umzusetzen und hat eine große Wirkung. Mit unseren Anbieter*innen haben wir ebenfalls ein Foodtruck Agreement unterzeichnet um unsere Anforderungen an Nachhaltigkeit zu erfüllen. Wir versuchen im Vorfeld so genau wie möglich den Bedarf an Speisen zu kommunizieren, um die Kapazitäten zu steuern und unnötige Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Trinkwasser steht kostenlos zur Verfügung und die Besucher*innen dürfen mit ihrer Trinkflasche das Festivalgelände betreten, um sie wieder aufzufüllen. Außerdem vermeiden wir analoges Werbematerial direkt am Gelände und drucken in niedriger Auflage und ausschließlich auf zertifizieren Papier. Bei unserem digitalen Webauftritt achten wir auf eine schlanke Website. 

Die Leitfäden von Sauberhafte Feste in NÖ oder ÖkoEvent in Wien sind ein sehr guter Startpunkt, um sich mit Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen. Tatsächlich sollten diese Inhalte verpflichtend sein für die gesamte Branche.

VCC: Und was sind eure größten Herausforderungen? Welche Aspekte eines Festivals belasten Umwelt & Klima am stärksten?

PG: Beginnen wir so: wir sind zunächst eine große Herausforderung für unsere Partner*innen und Lieferant*innen, die mit uns das Festival ermöglichen (lacht). Es gibt nicht so viele Festivals in dieser Größenordnung und unsere Anforderungen und Standards hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit sind sehr hoch. Die gesamte Produktion - der Auf- und Abbau der Bühnen, Licht & Sound bis hin zum Pendeln der Gäste & Personal sind natürlich ganz wesentliche Aspekte beim CO2 Impact eines Festivals und wird auch im Detail dokumentiert. Unsere Erfahrung aus Belgien zeigt aber - je mehr andere Veranstaltungen & Festivals sich intensiv dem Thema ökologische Nachhaltigkeit annehmen, desto stärker werden sich auch alle Partner*innen und Lieferant*innen damit auseinandersetzen und können neue Lösungen anbieten. Wir verwenden gerne das Motto „A rising tide lifts all boats“. Ein Beispiel aus der Praxis: Vor einigen Jahren waren Mehrwegbecher am Festivalgelände überhaupt kein Thema. Heute sind sie eigentlich überall Standard geworden und es gibt zahlreiche Anbieter*innen. 

VCC: Du hast eure Dokumentation erwähnt - wie funktioniert das im Detail? Der gesamte CO2-Abdruck des Paradies Garten Festivals ist ja in einem Impact Audit Report eurer Website zu finden.

PG: Das ist tatsächlich ein sehr relevantes Tool um unseren CO2-Abdruck zu erkennen und zu verringern - wir dokumentieren für den Report wirklich sehr, sehr viele verschiedene Elemente und ohne diese Infos könnte unser Auditor auch keinen Report erstellen.  Alles was wir nicht selber wissen, fragen wir konkret von unseren Partner*innen und dem Publikum ab. Zunächst mal der Transport: Wie kommt unser gesamtes Team, Künstler*innen, Barpersonal, Produktionsfirmen & Gäste zum Festival und wieder zurück? Unsere Partner*innen müssen uns Wegstrecken inkl. Fahrzeugtyp und Treibstoffart nennen und über eine Umfragen erfahren wir, wie unser Publikum zum Festival an- und abreist. 

Die Abfallmengen (Glas, Plastik, Rest- und Biomüll), Abwasser, der gesamte Stromverbrauch und unsere Energiequellen, das Speiseangebot, aber auch die Unterkunft für alle Beteiligten müssen dokumentiert und an unseren Auditor übermittelt werden. Anhand des Reports können wir selbst sehen, wo wir uns verbessern können und was wir gegen unsere Schwachstellen tun können. Indem wir alle unsere CO2-Emissionen kompensierten, wurden wir 2022 zum ersten CO2-neutralen Festival in Österreich. Klar – viele Maßnahmen und Dokumentationserfordernisse sind zeit- und kostenintensiv und daher ist es auch wichtig, dass wir uns Nachhaltigkeit als dediziertes Ziel unseres Festivals setzen. Aber gleichzeitig können wir mittelfristig verbrauchsabhängige Kosten sparen, das ist auch eine Chance für uns. 

VCC: Für wie wichtig haltet ihr das Thema Nachhaltigkeit für eure Besucher*innen? Habt ihr den Eindruck, dass das Thema Nachhaltigkeit ein relevanter Grund für den Besuch eures Festivals ist?

PG: Es gab im ersten Jahr eine sehr positive Resonanz von unserem Publikum – dazu gab es auch eine eigene Umfrage. Unser Fokus auf Nachhaltigkeit steht direkt nach dem Musikprogramm und der Location mit dem Schloss Prugg ganz weit oben auf der Prioritätenliste unseres Publikums. Und ich bin überzeugt, das wird auch in Zukunft noch wichtiger. Für uns ist daher eine transparente Kommunikation unseres CO2-Abdrucks und unserer Nachhaltigkeitsziele sehr wichtig, damit sich die Gäste etwas darunter vorstellen können.

VCC: Vielen Dank für diesen Einblick in eure Arbeit! Habt ihr noch spezielle Empfehlungen für eure Festivalbesucher*innen?

PG: Vielen Dank für das Interview! Ja, klar! Komm‘ am besten mit dem Zug oder Fahrrad nach Bruck an der Leitha und schlage dein Zelt auf unserem wunderschönen Campingplatz auf. Du wirst ein köstliches vegetarisches oder veganes Gericht von einem der Foodtrucks mit einem Cocktail in der Hand genießen können...ach ja, und vergiss‘ deine Trinkflasche nicht und benutze die tragbaren Aschenbecher, die wir für dich bereitstellen, um gemeinsam eine noch nachhaltigere Ausgabe als letztes Jahr zu schaffen 😉

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