Was auf dem Spiel steht, wenn Clubs verschwinden – und wie wir sie erhalten können.
Clubs schließen – und das in rasantem Tempo. Seit März 2020 hat das Vereinigte Königreich laut der Night Time Industries Association (NTIA) drei Clubs pro Woche verloren – über 150 pro Jahr. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte der 31. Dezember 2029 die letzte Nacht sein, „bevor Clubs vollständig aus unserer Kulturlandschaft verschwinden“, warnte die Organisation. Auch in Berlin trifft es die Szene: Das Watergate schließt, die Pacht ist nicht mehr tragbar. Warum passiert das? Und was braucht es, um Clubsterben zu stoppen und Clubleben zu erhalten?
Eine kleine Analyse: Von steigenden Mieten und finanziellem Druck für Besucher:innen aufgrund einer stetig wachsenden Inflation, sowie Gentrifizierung und überarbeiteten Veranstalter:innen, die in ehrenamtliche Arbeit gezwungen werden, um weiterhin wichtige Erfahrungen im clubkulturellen Kontext für diverse Communities zu schaffen, ist die Liste lang.
Anhand wiederholter Schließungen des Club Bassiani in Georgien aufgrund von Repressionen gegenüber der LGBTQIA+ Community, beobachten wir auch, dass nicht nur wirtschaftliche Faktoren sondern auch politische Faktoren sich auf das Clubsterben auswirken können. Was ebenfalls hinzukommt, ist eine Pandemie, die die Clubs-Szene verändert hat: Während eingefleischte Club-Besucher:innen gezwungen waren, auf diese Orte der Kultur und des Zusammenkommens zu verzichten, hat eine ganze Generation an Jugendlichen den Einstieg in die Clubkultur verpasst. Clubs stehen zwischen kulturellem Anspruch und wirtschaftlichem Überleben: „Es geht nicht nur um Clubsterben, sondern ganz wesentlich darum, inwiefern sich Clubkultur verändert, da Betreiber:innen nicht mehr den Kulturanspruch aufrechterhalten können. Das ist eigentlich genauso schlimm.“ - Martina Brunner, VCC
Nun stellt sich die konkrete Frage: Was braucht es, um Clubsterben entgegenzusteuern und Clubleben zu erhalten?
Einerseits braucht es eine Bewusstseinsschaffung von Clubkultur als notwendigem Bestandteil einer lebendigen und zeitgenössischen Gesellschaft.
Andererseits braucht es Initiativen, die deren Erhalt und Weiterentwicklung unabhängig von wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten absichern.
Clubsterben ist wie schon gesagt eine internationale Herausforderung, daher sind hier erprobte Initiativen aus diversen Städten:
Der Bristol Grassroots Music Fund
Die Bristol Beacon hat ein sechsmonatiges Residenzprogramm ins Leben gerufen, das lokalen Künstler:innen finanzielle Unterstützung und Zugang zu Studioeinrichtungen bietet, um ihre musikalische Entwicklung zu fördern.
Die Etablierung des Agent of Change Prinzips, das in Sydney und verschiedenen Städten im Vereinigten Königreich angewendet wird, um Veranstaltungsorte vor Schließungen und/oder Einschränkungen, aufgrund Gentrifizierungsprozessen zu bewahren.
Der Tag der Clubkultur in Berlin: 40 Clubs und Kollektive werden seit 2020 jedes Jahr für ihre besondere kulturelle Arbeit und die Programme, Räume und Communitys, die sie innerhalb der Berliner Clubkultur gestalten, jeweils mit 10.000€ ausgezeichnet.
Die NTIA Petition im Vereinigten Königreich: „Last Night Out – Eine Petition zur Erhaltung des kulturellen Erbes von Clubkultur“
Hier sind die Forderungen:
- Langfristige finanzielle Unterstützung, um Clubs durch die wirtschaftliche Krise zu bringen.
- Kultureller Schutz, indem ikonische Clubs als „National Portfolio Organisations“ anerkannt und wie Museen oder Galerien gefördert werden.
- Politische Reformen, die Lizenzierungs- und Steuerregelungen anpassen, um eine clubfreundlichere Zukunft zu sichern.
Mehr Infos zum Thema Clubsterben sowie den Best Practices, die dagegensteuern, findet ihr hier:
New NTIA campaign raising awareness around club closures (Resident Advisor, 24.10.2024)
Der Berliner Technoclub Watergate schließt nach 22 Jahren seine Tore (Der Standard, 18.09.2024)
Sydney proposes agent of change principle amid other nightlife reforms (Resident Advisor, 11.10.2017)
Schluss mit Bass: Der Berliner Technoclub Watergate schließt nach 22 Jahren seine Tore (Der Standard, 18.9.2024)
Clubkultur: Wie steht's um Wiens Nachtleben? – Vielleicht muss man Club neu denken (Der Standard, 13.11.2024)
Bold new strategy being developed to secure Bristol’s grassroots music scene (Bristol Nights, 4.1.2024)
Venue funds local artists to record tracks” (BBC News, 5.1.2025)
Wir müssen aufpassen: Angst vor dem Clubsterben (ORF Topos, 7.1.2025)
Protect Our Cultural Heritage Before It's Too Late: UK Nightclubs Set for Final Farewell (Night Time Industries Association, 24.10.2024)
„Die hohe Kunst der Nacht” (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24.11.2024)